Justizminister will zentrale Anlaufstelle für Opferschutz im Land

10.10.2018 
Redaktion
 

Stuttgart. Über den derzeitigen Stand des Opferschutzes und über mehr Geld und bessere Strukturen dafür diskutierten an diesem Mittwoch Redner aller Fraktionen im Landtag. Anlass war eine große Anfrage der Regierungsfraktionen von Grünen und CDU zum Thema. Marion Gentges (CDU) war selbst 10 Jahre als Opferanwältin für den Weißen Ring tätig, „eine sinnstiftende und dankbare Aufgabe“ wie sie sagte. Trotz der vorgelagerten Ziele nach einer Gewalttat - die Täter zu überführen und zu bestrafen -, gelte doch stets: „Man darf dabei das Opfer nicht aus dem Blick verlieren“. Grundsatz sei: „Opferschutz vor Täterschutz“.

Die Landesstiftung Opferschutz versuche, Lücken bei der gesetzlichen Entschädigung von Opfern zu schließen. Bisher erhalte diese dafür 400 000 Euro pro Jahr. Die CDU-Fraktion wolle diesen Zuschuss auf 800 000 Euro verdoppeln, so Gentges.

Im Übrigen sei Baden-Württemberg mit vielen Einrichtungen und Maßnahmen bereits auf dem richtigen Weg zu besserem Opferschutz, auch wenn noch viel zu tun bleibe. Gentges plädierte für flächendeckende Gewaltambulanzen und für eine flächendeckende psychotheraupeutische Soforthilfe, damit sich Traumata bei Opfern nicht verfestigen.

SPD-Abgeordneter Binder mahnt Regierung zum Umsetzen des Koalitionsvertrags

Alexander Maier (Grüne) meinte, es gebe im Land so zahlreiche verschiedene Einrichtungen zum Opferschutz, dass es schwierig sei, „bei dem vielfältigen Angebot durchzublicken“. „Es braucht hier klarere Strukturen“, sagte Maier: „Wir müssen es Opfern so leicht wie möglich machen“. Denn Unkenntnis und Bürokratie solle und dürfe wirksamer Hilfe nicht im Wege stehen.

Die Höhe des Schadenersatzes, den die Landesstiftung Opferschutz Verbrechensopfern auszahle, müsse man „gemeinsam sachlich und seriös prüfen“. Denn, so Maier, „das Thema Opferschutz taugt nicht zur Kontroverse und zur Polarisierung“.

Rüdiger Klos (AfD) kritisierte, „wer sich nur mit Opferschutz befasst, greift zu kurz“. „Sie haben Gelegenheiten geschaffen für Straftaten und Übergriffen“, warf er den anderen Parteien vor. Wer für die Grenzöffnungen verantwortlich sei, „an dessen Händen klebt das Blut unschuldiger Opfer“, sagte Klos und zählte die Namen einiger Mädchen auf, die in den vergangenen Jahren Opfer von Gewaltverbrechen wurden. Er konstatierte eine „Mittäterschaft der Regierung“. Die AfD aber werde die Grenzen des Landes wieder sichern. Der Staat müsse Härte zeigen, Strafen wieder der Abschreckung dienen und das Vollzugsdefizit behoben werden. „Wir werden die Massen- und Messermigration abbauen“, sagte Klos.

Sascha Binder (SPD) lobte die „überparteiliche Gemeinsamkeit beim Opferschutz“ - mit Ausnahme der AfD. „Wer Opferschutz ernst nimmt, sollte die Opfer selbst ernst nehmen“, sagt er an deren Adresse gerichtet. Was die AfD tue, so Binder in Reaktion auf Klos Rede, sei „ein weiterer Missbrauch von Opfern“.

Zwei wichtige Punkte des Koalitionsvertrags habe die Landesregierung bisher nicht umgesetzt, kritisierte Binder. Neue Förderrichtlinien für Frauenhäuser, wie versprochen, werde es in diese Legislaturperiode offenbar nicht mehr geben; und zum flächendeckenden Ausbau von Gewaltambulanzen nach dem Vorbild von Heidelberg heiße es nur noch, man wolle das prüfen.

Überdies sei der Fall Staufen sei nach wie vor nicht ausreichend aufgearbeitet, viele Fragen weiterhin offen, so Binder. Der jahrelange Missbrauch eines kleinen Jungen in Staufen bei Freiburg hatte bundesweit für Entsetzen gesorgt. Deswegen habe die SPD gleich fünf Anträge dazu in den Landtag eingebracht.

„Vermeidung von Straftaten ist für mich der beste Opferschutz“, sagte Nico Weinmann (FDP). Auch angesichts der mangelnden personellen Ausstattung der Polizei gelinge es aber nicht immer, diesen hehren Grundsatz zu verwirklichen. Dann sei der Staat gefordert, Opfer beim Bewältigen der Folgen der Straftaten zu unterstützen. Dem diene etwa das Haus des Jugendrechts, der Täter-Opfer-Ausgleich und das Bereitstellen von Opferanwälten.

„Der einfachste und günstigste Opferschutz ist es, Opfern zuzuhören und sie ernst zu nehmen“, so Weinmann. In diesem Punkt habe Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in den vergangenen Jahren gleich zweimal versagt. Ihr Versprechen an die Hinterbliebenen der NSU-Opfer, alles zu tun, um diese Morde aufzuklären, habe sie gebrochen. Und die Angehörigen und Überlebende des Terroranschlags auf dem Breitscheidplatz in Berlin habe sie erst nach einem Jahr getroffen. Dabei seien Empathie und Mitgefühl für Opfer wichtig

Zentrale Anlaufstelle für Opfer soll laut Wolf Lotsenfunktion haben

„Opferschutz gehört zum Kernbestand des Rechtsstaats“, sagte Justizminister Guido Wolf (CDU). Erst wenn den Opfern von Straftaten angemessen Rechnung getragen werde, „schafft das dauerhaften Rechtsfrieden.“ Das Land habe dazu bereits umfangreiche Maßnahmen ergriffen.  Nun sollten die Mittel für die erheblich aufgestockt werden, so Wolf: „ich habe mich seit geraumer Zeit dafür stark gemacht.“

Im vergangenen Jahr habe die Stiftung im Durchschnitt Opfern mit einem Schmerzensgeld von durchschnittlich 3000 Euro je Fall geholfen. Er dankte für den sich abzeichnenden „breiten politischen Konsens“ für eine Erhöhung dieser Mittel -„als Zeichen dafür, dass Opfer nicht allein gelassen werden“.

Zudem befürwortete Wolf eine zentrale Anlaufstelle für Opfer von Straf- und Gewalttaten. Dort könnten bereits bestehende Angebote zusammengeführt werden. Diese Stelle hätte eine Lotsenfunktion und könne in besonders schweren Fällen schnell und nachhaltig reagieren. Mit Sozialminister Manfred Lucha (Grüne) habe er bereits darüber gesprochen. Man werde dabei die Konzepte anderer Länder berücksichtigen, versicherte Wolf, er rief zugleich alle Fraktionen dazu auf, sich mit eigenen Ideen für ein umfassendes Konzept zum Opferschutz  zu beteiligen.

Auf den Missbrauchsfall von Staufen ging Wolf ebenfalls ein. Man werde alles tun, „damit die Wahrscheinlichkeit, dass sich eine solche Straftat wiederholt, zumindest minimiert wird“. Allerdings so Wolf: „Mehr zu versprechen wäre für einen Justizminister unseriös.“ Auf die Kritik Binders an mangelnder Aufarbeitung des Falls entgegnete Wolf, die Justiz habe diesen Fall „mit einer bemerkenswerten Selbstkritik“ intern aufgearbeitet.

Im Übrigen habe die grün-schwarze Landesregierung bereits viel für verbesserten Opferschutz getan. Denn, so Wolf abschließend, „Opferschutz ist zentraler Bestandteil eines funktionierenden Rechtsstaats“ und „ein starker Rechtsstaat ist auch ein fürsorglicher Rechtsstaat“.


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