Grüne und CDU einigen sich auf neue Regeln für nachhaltige Beschaffung

10.10.2018 
Von: Michael Schwarz
 
Redaktion
 

Stuttgart. Um jedes Wort wurde hart gerungen, doch am Ende stand eine neue Verwaltungsvorschrift (VwV), mit der alle zufrieden sind. Diesen Eindruck vermittelten Grüne und CDU am Mittwoch im Landtag beim Tagesordnungspunkt 7, „nachhaltige Beschaffung“. SPD und FDP zeigten sich ebenfalls grundsätzlich zufrieden, gossen jedoch Wasser in den Wein: Ihrer Auffassung zeige allein der Antrag der Grünen, den das CDU-geführte Wirtschaftsministerium beantwortete, dass die Koalitionspartner sind bei dieser Frage misstrauen.

„Wir hatten eine sehr gute Verwaltungsvorschrift Beschaffung und haben seit dem 1.10. eine noch bessere Verwaltungsvorschrift Beschaffung“, sagte Martin Hahn (Grüne). Der Nachhaltigkeitsgedanke werde gestärkt. Auch die Voraussetzungen, dass die Beschaffer die Vorgaben umsetzen, seien gegeben: Über 300 Teilnehmer seien bei den VwV-Schulungen gezählt worden. Hahn hob hervor, dass auf Wunsch der Grünen Open-Source-Lösungen Vorrang eingeräumt wird. Er verwies auf die dynamische Gütesiegelliste als Handreichung für Beschaffer. Nachhaltigkeitskriterien wie Biodiversität würden in der VwV „vorbildlich abgebildet“.

Besonders wichtig ist Hahn, der Urheber des Grünen-Antrags war, dass staatliche Kantinen und Restaurants in Zukunft auf eine Bioquote von 20 Prozent achten sollen. Dies sei „eine klare Zielvorgabe“. Wichtig sei, „dass man das in großer Freiheit tut“. Dem Beschaffer bleibe es überlassen, ob er Bio-Wein, Bio-Nudeln oder andere Lebensmittel in Bio-Qualität erwirbt. Manche Betriebe würden die Quote längst einhalten. Für „Neustarter“ wiederum biete die VwV „hohe Flexibilität“. Für Hahn ist nachhaltige Beschaffung „nicht teuer, sondern werthaltig“. Wichtig sei, sich der weltweiten Auswirkungen des eigenen Handelns bewusst zu sein.

„Für die CDU gehen Ökologie und Ökonomie Hand in Hand“

Claudia Martin (CDU) hob auch die anderen Elemente der neuen Verwaltungsvorschrift hervor. Baden-Württemberg hat die Unterschwellenvergabeordnung eingeführt und die Wertgrenzen erhöht. Und in der VwV Beschaffung gehen es nicht nur um umweltbezogene Aspekte, sondern auch um Innovation und Energieeffizienz. Zudem werde die durchgehende elektronische Vergabe eingeführt. Das Land sei in dieser Hinsicht „im digitalen Zeitalter angekommen“. „Für die CDU-Landtagsfraktion“, resümierte Martin, „gehen Ökologie und Ökonomie Hand in Hand.“

Scharfe Kritik an der VwV Beschaffung kam allein von der AfD. Ihre Sprecherin Carola Wolle warf Grünen vor, Nebelkerzen zu zünden – „und die CDU macht das alles mit“. Gegen das Ziel der Nachhaltigkeit spreche grundsätzlich nichts. An der Umsetzung hapere es jedoch. Als Beispiel nannte sie den Wechsel des Pächters in der Stuttgarter Wilhelma. Dort habe der langjährige heimische Betreiber das Rennen gegen Marché verloren, weil nur der Schweizer „Multi“ die Vorgaben habe einhalten können. Jetzt kämen 40 Prozent des Obsts und Gemüses und 80 Prozent der Wurst- und Fleischwaren aus der Region. Wolle glaubt jedoch nicht, dass Marché das aktuelle Preisniveau beibehält. Für Wolle ist die grüne Beschaffungspolitik „außen hui und innen pfui“.

Gernot Gruber (SPD) erinnerte daran, dass die VwV Beschaffung 2015 unter Grün-Rot entstanden sei. Den Antrag der Grünen, über die Umsetzung der Verwaltungsvorschrift zu berichten, ordne er in die Kategorie „Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser“ ein und kündigte an, ein Jahr nach Inkrafttreten der neuen VwV „zu kontrollieren, ob sich diese Behauptung in der Realität tatsächlich umsetzt“. Im Übrigen regte der SPD-Abgeordnete an, mit guten Beispiel voranzugehen und nicht alle zwei bis drei Jahre das I-Phone und den Computer auszutauschen. Dies sei „ein kleiner Punkt Gruber lobte die Landtagsverwaltung, die die Voraussetzungen dafür schaffe, dass die Gummibänder, in denen die Landtagsunterlagen stecken, wiederverwendet werden können.

Gabriele Reich-Gutjahr (FDP) hatte ein ähnliches Gefühl wie Gruber, als sie die Anfrage der Grünen und die Antwort aus dem Wirtschaftsministerium las. Der Liberale rät beim Thema nachhaltige Beschaffung zu Pragmatismus: „Man darf weder Mitarbeiter noch Anbieter mit idealistischen Anforderungen überfordern.“ Sie wies darauf hin, dass eine Zentralisierung der Beschaffung kleine und mittlere Unternehmen benachteiligen könne. Im Übrigen sei sie dem Wirtschaftsministerium dankbar für die Öffnungsklausel der neuen Verwaltungsvorschrift: „Demnach sind nachhaltige Aspekte nur zu berücksichtigen, soweit diese mit verhältnismäßigem Aufwand einhergehen und sachgerecht sind.“

„Die nachhaltige Beschaffung muss ganzheitlich betrachtet werden“

Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut (CDU) wies darauf hin, dass sich die Nachhaltigkeit der Beschaffung seit Beantwortung der Grünen-Anfrage 2017 nochmals verbessert habe. Die neue VwV sei die Grundlage „für eine verantwortungsvolle und moderne öffentliche Beschaffung“. Doch neben der Nachhaltigkeit seien eben auch Transparenz, Sparsamkeit und Verhältnismäßigkeit wichtig. Es gehe darum, öffentliche Mittel „effizient und effektiv“ auszugeben. Die öffentliche Hand habe eine Vorbildfunktion für Unternehmen und private Verbraucher. „Die nachhaltige Beschaffung muss ganzheitlich betrachtet werden“, resümierte die Ministerin.


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