Wird kein Unterhalt gezahlt, leiden die Kinder

11.10.2018 
Von: Brigitte Johanna Henkel-Waidhofer
 
Redaktion
 

Stuttgart. Die frühere Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig (SPD) hatte vor eineinhalb Jahren das neue Unterhaltsvorschussgesetz auf den Weg gebracht. Am Donnerstag legte Sozialminister Manfred Lucha (Grüne) im Landtag das Gesetz zur Durchführung der neuen Regelungen vor. Darin wird die vom Land auszugleichende wesentliche Mehrbelastung im Einvernehmen mit den berührten kommunalen Landesverbänden derzeit auf jährlich 7,5 Millionen Euro geschätzt. „Es ist uns ein außergewöhnlich gutes Durchführungsgesetz geglückt“, so Lucha, zumal die Ausweitung der Leistungen „ein längst fälliger Schritt“ gewesen sei.

Der Minister führte detailliert die Neuregelungen aus, lobte vor allem die Abschaffung der Begrenzung der Leistungsdauer auf sechs Jahre und die Abschaffung des Höchstalters von zwölf Jahren. Für viele Alleinerziehende sei dies eine "wesentliche Entlastung, auf die sie lange gewartet haben“. Allerdings habe sie ihren Preis: Bund, Land und Kommunen hätten vor der Reform im Jahr 2016 zusammen rund 71 Millionen Euro ausgegeben, im ersten Halbjahr 2018 seien es schon 65 Millionen Euro.

Intensiv mit kommunalen Landesverbänden über Ausgleich verhandelt

Vor allem hob der Grüne hervor, wie sich die Landesregierung mit ihrem Gesetz der finanziellen Verantwortung gegenüber den Kommunen stelle: „Wir haben intensiv mit den kommunalen Landesverbänden über einen angemessenen Ausgleich verhandelt.“ Um die Mehrkosten der Gemeinden und Städte von 7,5 Millionen Euro jährlich auszugleichen, werde die Höhe der Beteiligung der Kommunen an den Ausgaben und an den Einnahmen für die Unterhaltsvorschussleistungen geändert, ihre Beteiligung an den Kosten von bisher einem Drittel auf nunmehr 30 Prozent reduziert sowie die Beteiligung an den Einnahmen aus den Rückgriffen auf die Unterhaltspflichtigen von derzeit einem Drittel auf 40 Prozent erhöht und dies rückwirkend zum 1. Juli 2017. Außerdem werden im Jahre 2020 auf Basis der bis dahin vorliegenden Daten die kommunalen Zusatzausgaben neu bewertet. „Wir hoffen“, sagte Lucha, "dass auch in zwei Jahren eine einvernehmliche Lösung mit der kommunalen Seite gelingt".

Redner von Grünen und CDU, SPD und FDP lobten die Neuregelungen. Thomas Palka (AfD) verwies hingegen darauf, dass die neuen Regelungen „nicht von der Pflicht entbindet, sich das Geld wiederzuholen". Denn der Ausgleich werde aus Steuermitteln bezahlt und somit von jedem einzelnen Bürger und denen, die ihren Verpflichtungen nachkämen. „Also zahlen die Ehrlichen wieder doppelt“, so Palka.

Für die Grünen hob Dorothea Wehinger „den Wermutstropfen“ hervor, dass der Unterhaltsvorschuss keineswegs bedarfsdeckend sei und „obendrein voll auf andere soziale Leistungen wie Kinderzuschlag, Wohngeld oder Leistungen nach dem Bildungs- und Teilhabepaket angerechnet wird“. Das führe durchaus auch zu „verheerenden Wirkungen“. Es gebe allein in diesem 60.700 Fälle im Land, wo das eine Elternteil seinen Pflichten nicht nachkam.

Viele Kinder kennengelernt, bei denen es an sozialer Teilhabe fehlte

Die CDU-Abgeordneten Christine Neumann-Martin berichtete von ihren Erfahrungen als Mitarbeiterin des allgemeinen sozialen Dienstes beim Jugendamt. Sie haben viele Kinder und Jugendliche kennengelernt, deren Leben genau davon betroffen gewesen, denen es an „sozialer Teilhabe und Chancengerechtigkeit gefehlt hat“. Jürgen Keck (FDP) hob hervor, dass der Anteil der kommunalen Seite an den Rückflüssen erhöht wird und stellte die Zustimmung seiner Fraktion in Aussicht, weil es "kaum eine andere zielführende Vorgehensweise" gibt. Ausdrücklich zu begrüßen sei in diesem Zusammenhang die Revisionsklausel im Laufe des Jahres 2020.

Andreas Kenner lobte für die SPD vor allem Schwesig. Von den Änderungen profitierten denen mehr als 300.000 Kinder bundesweit. Das sei ein „richtiges Erfolgserlebnis“, und er frage sich, warum derartige Veränderungen von den Menschen nicht gebührend gewürdigt würden. „Ich denke an den Fall Maaßen, der die Medien heute noch bewegt, während ein Gesetz, das die Lebenswirklichkeit von alleinerziehenden und armen Menschen in diesem Land betrifft, keinen Deut interessiert“.


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