Innenminister Strobl wegen Fall Freiburg im Kreuzfeuer der Kritik

08.11.2018 
Redaktion
 

Stuttgart. 15 Prozent der rund 20 000 offenen Haftbefehle in Baden-Württemberg betreffen nach den Worten von Innenminister Thomas Strobl (CDU) Straftäter. Wie er in einer von der SPD-Fraktion beantragten Aktuellen Debatte zu seiner Zwischenbilanz nach zweieinhalb Jahren am Donnerstag weiter mitteilte, wird bis zur Sitzung des Innenausschusses in der kommenden Woche eine Aufarbeitung der Vorkommnisse rund um die Freiburger Gruppenvergewaltigung vorgelegt. Außerdem trat er vehement dem Eindruck entgegen, er sei selber nicht vor Ort präsent. Er sei zwei Mal in Freiburg gewesen und habe mit Oberbürgermeister Martin Horn (parteilos) gesprochen.

Mit „Pleiten, Pech und Pannen – Freiburg ist nur die Spitze des Eisbergs“ hatten die Sozialdemokraten die Debatte überschrieben, was von der AfD scharf kritisiert wurde. Messerstecher oder Betrüger durchfurchten das Land, „und die SPD macht Klamauk, als wären wir in der Heute-Show“, so Lars-Patrick Berg (AfD). Und sie sei sich auch nicht zu schade, „mit gewaltbereiten Linkextremisten und Stalinisten aufzumarschieren“. Zugleich warf Berg der Landesregierung und dem Innenminister aber auch vor, Baden-Württemberg zum Rückzugsgebiet für Straftäter gemacht zu haben.

Strobl nennt Vorwürfe des FDP-Fraktionschefs „schlichtweg schäbig“

Strobl wies alle Vorwürfe zurück. Dass FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke versucht habe, „meine Person für so ein schweres Verbrechen verantwortlich machen, das ist schlichtweg schäbig“. Zugleich versuchte der Innenminister allerdings auch unter zahlreichen Zwischenrufen von SPD und FDP, die Kritik an seiner Arbeit auf die Polizei zu beziehen, um seinerseits die Opposition zu tadeln. Es sei schade, dass die Arbeit der Polizei schlechtgemacht werde.

„Angriff ist die beste Verteidigung“ konterte daraufhin der frühere Justizminister Ulrich Goll (FDP). An Strobls Äußerungen passe vieles nicht zusammen, „und das ist eine schlechte Ausgangsposition, um andere zu beleidigen.“

SPD-Fraktionschef Andreas Stoch warf dem Innenminister vor, statt „für mehr Sicherheit zu sorgen durch seine widersprüchlichen und teils nur halbwahren Äußerungen nur für mehr Verunsicherung bei den Menschen zu sorgen“. Er wisse gar nicht, wovon er spreche und hinterlasse „den verheerenden Eindruck, dass es ihm mehr um Symbolpolitik und um kurzlebigen Aktionismus geht als um die mühsame Arbeit an einer nachhaltigen Verbesserung der Sicherheit im Land“. Dabei vereine das Ministerium für Inneres, Digitalisierung und Migration „drei enorm wichtige Aufgabenfelder, die jeweils höchste Priorität und viel fleißige Arbeit auch an höchster Stelle benötigen“. Und diesen Aufgaben sei Strobl „ganz offensichtlich nicht gewachsen“.

Rülke hält Strobl vor, selbst der Koalitionspartner halte ihn für überfordert

Rülke ging noch einen Schritt weiter. Zum tragischen Vergewaltigungsfall einer 18-Jährigen durch mehrere mutmaßliche Täter aus dem Flüchtlingsmilieu in Freiburg existierten „von Strobl ungefähr so viele Versionen, wie Horst Seehofer für Herrn Maaßen Verwendungen hatte“. Einerseits behaupte der Innenminister, alles sei vor Ort entschieden worden; gleichzeitig habe er von Anfang an aber ständig Pressearbeit betrieben. Zunächst werde die Nichtvollstreckung des Haftbefehls gegen einen hochgefährlichen Intensivtäter mit Ermittlungstaktik begründet, „dann hat man ihn plötzlich angeblich nicht gefunden, obwohl die Bild-Zeitung nachgewiesen hat, dass er zu Hause ein und ausgegangen ist“, sagte Rülke. Dieser Innenminister sei überfordert, und das sage sogar der Koalitionspartner.

Ohne Namen zu nennen, befasste sich auch Strobl selber mit den Grünen, nachdem ihn deren Landesvorsitzender Oliver Hildenbrand öffentlich kritisiert hatte. Es sei einfach nicht in Ordnung, einen falschen Eindruck zu erwecken. „Von einigen“ werde sogar „bewusst Angst geschürt“. Viele der mit Haftbefehl Gesuchten hielten sich gar nicht in Deutschland auf. „Ich will Ihnen ein Beispiel sagen, sogar ein Beispiel mit realem Hintergrund“, sagte Strobl: Wenn sich etwa jemand ins Ausland abgesetzt habe, bleibe der Haftbefehl dennoch bestehen.

Für die Grünen verteidigte Fraktionschef Andreas Schwarz den Minister und übernahm sogar dessen Bewertung, dass Rülkes persönliche Kritik "schäbig" gewesen sei. AfD-Fraktionschef Bernd Gögel stellte Ermittlungsergebnisse in Frage. Er könne sich nicht vorstellen, dass „deutsche Männer tatsächlich einen Aufruf in einer Diskothek, auf eine wehrlose Frau loszulegen, die bewusstlos im Gebüsch liegt, gefolgt wären, das müssen schon straffällig gewordene Ausländer gewesen sein“.


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