Hermann bemängelt zu wenig bezahlbare E-Autos

08.11.2018 
Von: Wolf Günthner
 
Redaktion
 

Stuttgart. Moderne Mobilitätspolitik hat nach Ansicht von Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) alle Verkehrsmittel im Blick: Zu Fuß gehen, Radfahren, das Auto und den öffentlichen Verkehr. Gleichzeitig warnte er am Donnerstag in der Landtagsdebatte über Mobilität davor, zu glauben, „dass es keine Innovationen mehr gibt und das Ende der Entwicklung erreicht ist“. Das Gefährlichste sei, nicht selbst an die Spitze der Innovation zu treten. Baden-Württemberg tue alles, damit es nicht von anderen überholt werde. Deshalb habe das Land den auf sieben Jahre angelegten „Strategiedialog Automobilwirtschaft“ gegründet, einen gesamtwirtschaftlichen Prozess, in dem Wissenschaft, Wirtschaft, Zivilgesellschaft und Politik zusammen den Transformationsprozess verarbeiten. Grüne und CDU seien sich in einem Punkt des Koalitionsvertrages schnell einig gewesen, und zwar im Bereich Mobilität und Innovation, berichtete Hermann.

Der Minister wies auf weitere Projekte hin. Seit zehn Jahren fördere das Land die Elektromobilität. In diesem Bereich „müssen wir schneller werden“, forderte Hermann. Bei der Ladeinfrastruktur habe das Land eine gewisse Vorleistung gebracht, so dass es inzwischen „mehr Ladesäulen als Elektroautos“ gebe. Fehlen würden „wirklich bezahlbare, preiswerte Autos“, da sei die deutsche Industrie leider nicht lieferfähig.

Verkehrswende gefordert

Sehr erfolgreich seien die Cargobikes, von denen mittlerweile mehr als 800 in baden-württembergischen Städten zu umweltfreundlichen Kleintransporten unterwegs sind. Das Land unterstütze außerdem Forschungseinrichtungen wie das KIT oder Hochschulen in Stuttgart, Karlsruhe und Pforzheim sowie die Digitalisierung im öffentlichen Verkehrsbereich.

Hermann Katzenstein (Grüne) forderte bis 2030 eine Verkehrswende hin zu klimafreundlicher Mobilität, um die Pariser Klimaschutzziele zu erreichen. „Wir brauchen doppelt so viele Fahrgäste in Bus und Bahn, jedes dritte Auto klimaneutral, ein Drittel weniger Kfz-Verkehr in den Städten“, sagte er. Jeder zweite Weg sollte zu Fuß oder mit dem Rad zurückgelegt werden. Bis 2030 müssten die Treibhausgas-Emissionen im Verkehr um über 40 Prozent gegenüber 1990 reduziert werden. Katzenstein will dies durch die Änderung von „gesetzlichen und fiskalischen Rahmensetzungen für die Mobilität“ erreichen, weg von der Auto-Orientierung, hin zu ÖPNV und aktiver, umweltfreundlicher Mobilität.

Die CDU wünscht sich nach Aussage von Albrecht Schütte die beschleunigte Einführung von Hybridfahrzeugen auf noch nicht elektrifizierten Bahnstrecken, um die Lärm- und Schadstoffbelastung in den Städten massiv und den CO2-Ausstoß um 15 bis 20 Prozent zu reduzieren. Seine Partei setze auf Technologieoffenheit. Da unklar sei, wer künftig den Mobilitätsmarkt dominiert, sei der Strategiedialog Automobilwirtschaft der Landesregierung „goldrichtig“. Mit intelligenter Verkehrssteuerung könne man das Aufkommen schon heute deutlich reduzieren. Baden-Württemberg habe mit hervorragenden Hochschulen, dem Testfeld Autonomes Fahren und einer aktiven Landesregierung in Digitalisierungsfragen „beste Voraussetzungen für die Mobilität der Zukunft“.

Aus der AfD-Fraktion kam Kritik an Grün-Schwarz. Innovation finde dort statt, wo Technologie nicht als Feind des Menschen behandelt werde, wo Unternehmen willkommen seien und technologische Neuerungen nicht als Bedrohung empfunden werde, sagte Emil Sänze. „Eine Landesregierung, die das Wort dem Fahrrad redet und gleichzeitig die Infrastruktur vernachlässigt, den Verbrennungsmotor niederredet, seine dieselfahrende Bürger enteignet und sehenden Auges eine irrationale Feinstaubdiskussion initiiert, verdient weder das Attribut Innovation noch Erneuerung“, konstatierte er. In Stuttgart würden heute Autofahrer im Jahr 52 Stunden lang einen Parkplatz suchen. Den Grünen warf Sänze vor, sie wollten Bürger und Industrie bevormunden.

Kritik an Verkehrspolitik

Auch Ramazan Selcuk (SPD) nahm den Verkehrsminister und die Grünen aufs Korn. Die letzte Erfindung im Verkehrsbereich, die Winfried Hermann und seine Partei vorbehaltslos unterstützen würden, sei das vor 200 Jahren erfundene Fahrrad. Bei der Mobilität gebe es „Grün-schwarz lackierte Projekte ohne Vision und Zukunft im Schatten der Fahrverbote“. Züge, die verspätet verkehren oder gar nicht, Bahnhöfe ohne Wi-Fi und nicht barrierefrei, kein flächendeckendes Internet. „Ich sehe eine Welt im Fortschritt, die uns in vielen Bereichen Tag für Tag weiter abhängt“, sagte Selcuk.

„Durchaus sinnvolle Punkte“ sieht Jochen Haußmann (FDP) in den beiden Grünen-Anträgen „Mobilitätsland Baden-Württemberg“ und „Daheim im Innovationsland“. Seit heute sei aber auch klar, dass der Verbrennungsmotor für die Grünen „überhaupt keine Zukunft mehr hat“. Er schlug vor, die E-Mobilität Schritt für Schritt aufzubauen. Nötig sei aber auch eine Technologieoffenheit mit einem modernen Diesel, einem modernen Verbrennungsmotor, mit E-Fahrzeugen, mit intelligenter Hybridisierung, mit einer Brennstoffzelle. Hinein in die reine E-Mobilität werde nicht funktionieren. Mobilitätswende brauche Struktur und nicht zerfahren werden wie die Energiewende.


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Titelbild Staatsanzeiger