Landtag beschließt Brexit-Übergangsgesetz

20.03.2019 
Von: Wolf Günthner
 
Redaktion
 

Stuttgart. Der Landtag hat am Mittwoch das Brexit-Übergangsgesetz BW beschlossen. In zweiter Lesung stimmten Grüne, CDU, SPD und FDP für den Gesetzentwurf der Landesregierung, die AfD-Fraktion enthielt sich der Stimme. Europaminister Guido Wolf (CDU) bezeichnete das Gesetz, das vorsieht, dass britische Staatsangehörige nach dem Austritt ihres Landes aus der EU das aktive und passive Wahlrecht für kommunale Wahlen sowie ihr Bürgerrecht verlieren, sofern sie nicht über die Staatsangehörigkeit eines EU-Mitgliedsstaates verfügen, als „Beitrag, um den geregelten Brexit zu regeln“. Es diene der Umsetzung des Austrittsabkommens, das jedoch von Großbritannien noch unterzeichnet werden muss. Baden-Württemberg müsse auf den Austritt der Briten vorbereitet sein. Für den CDU-Politiker wäre es „schwer verdaulich“, die Briten noch an der Europawahl am 26. Mai teilnehmen zu lassen.

Für das monatelange Taktieren der Briten zeigte Wolf wenig Verständnis. Man müsse endlich aufhören, so viel Kraft auf Vergangenheitsbewältigung zu legen und andere wichtige Themen zu vernachlässigen. „Wir können es uns als EU nicht leisten, den Brexit zum Dauerthema zu machen. Wir haben keine Kapazitäten dauerhaft über Trennung zu diskutieren“, urteilte der Europaminister. Die Ablehnung des Austrittsvertrages durch das britische Parlament bezeichnete er als „enttäuschend für uns Europäer“. Großbritannien werde zum Verlierer des Brexits, denn das Land werde als Handelsmacht schrumpfen. Dennoch sei es wichtig, dass sich Baden-Württemberg „auf alle Szenarien“ vorbereite, wobei Wolf die Hoffnung auf einen geordneten Fahrplan noch nicht aufgegeben hat.

„Das Narrentheater in Großbritannien geht weiter“

„Das Narrentheater in Großbritannien geht weiter“, urteilte Josef Frey (Grüne). Man wolle den Austritt verschieben, habe aber weiterhin keine Vision für die Zukunft. Baden-Württemberg schaffe mit dem Gesetz für den Übergangszeitraum nach dem Austritt des Vereinigten Königsreiches Großbritannien und Nordirland aus der Europäische Union Rechtssicherheit auf Landesebene. Gleichzeitig strecke das Land Großbritannien weiterhin die Hand aus. Die Absurdität müsse ein Ende haben, deshalb könnten die Briten auch nicht mehr an der Europawahl teilnehmen.

Für Sylvia Felder (CDU) fällt der Austritt der Briten aus der EU mit dem eigenen Abschied aus dem Landtag – die Murgtäler Juristin wird Regierungspräsidentin in Karlsruhe – zusammen. Beim Brexit habe man zwar „einen Zustand, aber keine Lösung, ein Kalendarium, aber keinen Plan“. Hunderttausende Arbeitsplätze und Schicksale seien gefährdet durch das Spiel mit dem Feuer. „Absurdistan liegt zwischen Calais und Dover“, sagte Felder. Mit dem Gesetz schaffe das Land „höchstmögliche Rechtssicherheit“, denn die Berechtigung zur Teilnahme an der Kommunalwahl entfalle. Der Brexit sei eine parlamentarische und wirtschaftliche Tragödie, die britische Politik brauche keinen Gegner – „sie hat sich selbst.“ Großbritannien kappe die Seile, um sich als kleiner politischer Einzelkämpfer durch die Welt zu schlagen.

Die harte Linie gegen Großbritannien sei für die EU wichtig, um Nachahmer zu verhindern.  „Die EU-Technokraten wollen keinen Präzedenzfall“, sagte Emil Sänze (AfD). Deshalb knalle die EU den Briten die Türe zu, kritisierte er. Er prophezeite, dem Vereinigten Königreich werde es nach einigen Jahren „besser gehen“. Gleichzeitig erinnerte er daran, dass 34 000 Arbeitsplätze im Südwesten vom Export nach Großbritannien abhängig sind und Baden-Württemberg Waren im Wert von 11 Milliarden Euro jährlich auf die Insel ausführe. Seine Fraktion sehe den Sinn des Gesetzes nicht („die Briten verlieren automatisch das EU-Wahlrecht“) und werde sich deshalb bei der Verabschiedung des Gesetzes enthalten.

„Lehrstück von populistischen Zauberlehrlingen“

Als „verfahren“ bezeichnete Peter Hofelich (SPD) die Brexit-Situation. Dieses Chaos sei ein „Lehrstück von populistischen Zauberlehrlingen“. Angesichts der emotionsgeladenen Gemengelage verabschiede der Landtag heute „ein sprödes, nüchternes Gesetz“. Es regele die Stellung britischer Staatsangehöriger ab dem Zeitpunkt, an dem die Briten draußen sind. Dabei gehe es auch um die Legitimation Europas. Hofelich bedauerte den Austritt der Briten, Baden-Württemberg überstehe auch einen harten, ungeordneten Brexit, denn die Wirtschaft brauche weiter den Handel mit Großbritannien. Die britische Entscheidung sei kein Grund, Europa abzuschreiben. Allerdings sollten die Mitgliedsländer nicht nur mit dem Verstand, sondern auch mit dem Herzen Mitglied sein. In Baden-Württemberg soll darüber nachgedacht werden, ob das Europa der Regionen am Ende nicht robuster sei als das Europa der Nationalstaaten.

Großbritannien wisse nicht, was es wolle, sagte Andreas Glück (FDP). Chaos und Planlosigkeit könne man nur mit Struktur und einem Plan entgegentreten. Deshalb sei es richtig, heute ein Gesetz zu beschließen, das „wahrscheinlich nie zum Tragen kommen wird“, weil der geordnete Brexit wohl nicht komme. Der FDP-Spitzenkandidat für die Europawahl kritisierte die Regierungschefs der EU-Staaten: „Der drohende Brexit hätte von Anfang an zur Chefsache nicht nur der EU, sondern auch der Staatsoberhäupter der Mitgliedsstaaten erhoben werden müssen.“ Kanzlerin Merkel sei zwar oft nach Griechenland gereist, aber nicht nach London. „Ein klares Versagen der Bundesregierung“, sagte Glück. Die Tür für eine neue Generation Briten bleibe offen.


Ihre Ansprechpartner

Sie haben Fragen oder Anregungen?
Hier finden Sie Ihren Ansprechpartner.

Kontakt

Titelbild Staatsanzeiger