Kultusministerin Eisenmann sieht keine Gründe, G8 abzuschaffen

16.05.2019 
Von: Henkel-Waidhofer, Brigitte Johanna
 
Redaktion
 

Stuttgart. Die AfD-Fraktion will ein neunjähriges Gymnasium mit individueller Lernzeitverkürzung durchsetzen. Bei der Einbringung eines entsprechenden Gesetzentwurfs nannte Rainer Balzer die Stressreduzierung für Jugendliche als ein zentrales Ziel. „Auch im Gymnasium gibt es inzwischen eine sehr große Heterogenität“, so Balzer, „und deshalb haben wir die Idee entwickelt, dass Jugendliche, die schneller lernen, die elfte Klasse überspringen.“ Er gehe davon aus, dass 20 bis 40 Prozent die „gezielte Begabtenförderung der Fleißigen und Ehrgeizigen annehmen werden“. Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) warb dafür, G8 weiter zu verbessern. Für eine Abschaffung gebe es keine Gründe.

Zurückgegriffen werden soll nach den Vorstellungen der AfD „auf den Erfahrungsschatz der Schulen, die bereits in der Vergangenheit im Schulversuch den neunjährigen Bildungsgang im Gymnasium anboten“, wie es im Gesetz heißt. Die Einführung einer neunjährigen Lernzeit sichere den gymnasialen Qualitätsanspruch. Balzer verwies darauf, dass die AfD in Baden-Württemberg damit Neuland beschreitet.

Diesen Gedanken nahm für die Grünen Sandra Boser auf: „Den Gesetzentwurf hat es in Deutschland noch nicht gegeben, und das wundert auch nicht, denn er ist voll von Fehlern und Widersprüchlichkeiten.“ So werde allen Gymnasien im Land die Rückkehr zu G9 vorgeschrieben und sich als Halbtagsschulen zu organisieren. „Was ist eigentlich mit den Kindern, denen die Eltern in Mathe oder Physik nicht helfen könnten?“, fragte die Lahrer Abgeordnete. Das Vorhaben führe „zu einer sozialen Selektion, die wir auf keinen Fall wollen“.

Kritik am Gesetzentwurf der AfD

Der bildungspolitische Sprecher der SPD-Fraktion Stefan Fulst-Blei beleuchtete auch einen Aspekt des Gesetzes, das damit „ideologisch hoch aufgeladen ist“. Es heiße darin, anzustreben sei „eine gleiche Gewichtung aller Zeitepochen“. Das entspreche „klar und deutlich der Vogelschiss-Politik“, sagte Fulst-Blei in Anspielung auf eine Äußerung des AfD-Vorsitzenden Alexander Gauland, wonach die Zeit des Nationalsozialismus gegenüber der großen deutschen Geschichte insgesamt lediglich „ein Vogelschiss“ sei. Das Ansinnen, forderte Fulst-Blei, müsse man „im Kontext der zahlreichen Anträge zum Landeshaushalt lesen, in denen die AfD immer wieder versucht hat, die Verbrechen des Nationalsozialismus zu nivellieren“. Die deutsche Geschichte bestehe nicht nur aus dem Nationalsozialismus, „aber eben dessen Verbrechen sind für uns ein Auftrag, der lautet: nie wieder Krieg, nie wieder Faschismus“. Die AfD habe dagegen die Landeszentrale für politische Bildung abschaffen wollen und „Anträge gestellt, Haushaltstitel von ‚Gedenkstätten des nationalsozialistischen Unrechts‘ in ‚bedeutsame Gedenkstätten der deutschen Geschichte‘ umzubenennen". Damit habe die Fraktion „ihre Maske längst fallen lassen“.

Timm Kern, bildungspolitische Sprecher der FDP-Fraktion, warb für eine Wahlfreiheit „zu gleichen und fairen“ Bedingungen. „Wenn wir dagegen vollständig zu G9 zurückkehren würden, nachdem sich die Schulen in zum Teil schwierigen Prozessen auf G8 eingestellt haben, würde das eine weitere Schulstrukturumwälzung bedeuten“, warnte Kern.

CDU sieht derzeit keinen Änderungsbedarf

Für die CDU-Fraktion erinnerte Karl-Wilhelm Röhm dagegen daran, dass bei der Verkürzung des Gymnasiums auf acht Jahre „alle G8 gewollt haben“.  Inzwischen hätten sich die Schulen auf einen guten Weg gemacht „und sehr leidenschaftlich das Modell umgesetzt“, so der frühere Rektor weiter. Grüne und CDU hätten sich darauf verständigt, bei den 44 von grün-rot eingerichteten Modellschulen zu bleiben. Darüber hinaus gebe es in der laufenden Legislaturperiode keinen Änderungsbedarf. Allerdings wolle er „offen ansprechen“, dass sich auch die CDU eine Wahlfreiheit vorstellen könne. Das sei aber Zukunftsmusik.  

Kultusministerin Susanne Eisenmann bekannte hingegen, einer Wahlfreiheit gegenüber „eher skeptisch zu sein“. Denn die Schulen bräuchten Verlässlichkeit, statt immer wieder ein neues Tier durch ein neues Dorf zu treiben. Und sie verwies darauf, dass ohnehin 35 Prozent der Schülerinnen und Schüler Abitur auf beruflichen Gymnasien und damit in neun Jahren machen. Dazu komme das klassische G9 an der Gemeinschaftsschule. Auch sie wisse, dass es Eltern gebe, „die sich wieder G9 wünschen“, sagte Eisenmann. Zugleich werde das Gymnasium angesichts der Zahlen immer beliebter, „und deshalb könne der kürzere Weg zum Abitur gar nicht abschrecken“.


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