Politische Mitsprache Jugendlicher als Schutz gegen die Verführbarkeit durch Populismen

27.06.2019 
Redaktion
 

Stuttgart. „Junge Menschen sind Experten in eigener Sache, sagt uns, was bewegt Euch, wie seht Ihr unser Handeln, damit wir auch im Gegenzug Euch sagen können, was erwarten wir von Euch, wie wir Eure Einschätzungen  beurteilen“: Sozialminister Manfred Lucha (Grüne) hat in der Debatte am Donnerstag zu mehr Jugendbeteiligung den 125 Interessierten, die sich zwei Tage lang im Landtag mit aktuellen Grundsatzthemen befassten, „hohen Respekt“ gezollt. Und er kündigte eine Verstetigung der Mitsprache an, weil „der beste Schutz gegen die Verführbarkeit durch Populismen und einfache Ausgrenzungsrhetorik die Vertrautheit mit unseren demokratischen Gepflogenheiten und unseren verbindlichen Instrumenten ist“. Im Parlament werde „der Diskurs über Pro und Kontra, um dann einen Kompromiss zu finden, verständlich und erlebbar“. 

CDU will trotz Lob für Jugendengagement Wahlrechtsalter nicht senken

Eingeführt hatte das Instrument der Beteiligung junger Menschen der heutige Europaminister Guido Wolf (CDU) in seiner Zeit als Landtagspräsident. „Vielen Dank für diese erweiterte Beteiligungsmöglichkeit, die bei allen, mit denen ich gesprochen habe, sehr gut ankommt“, sagte die CDU-Landtagsabgeordnete Isabell Huber. Jugendbeteiligung zeige „Wertschätzung gegenüber unseren jungen Bürgerinnen und Bürgern“, sie führe sie an „unsere parlamentarische Demokratie heran und lässt sie Verantwortung übernehmen“. 53 Prozent der Kommunen Baden-Württembergs böten Jugendbeteiligung an, und 68 Prozent der von der Landeszentrale für politische Bildung befragten Kommunen stimmten der Aussage zu, dass Jugendbeteiligung die Bindung der Jugendlichen an ihren Wohnort stärkt. „Kurz gesagt“, so Huber weiter, „Jugendbeteiligung ist gelebte Demokratie." 

Dennoch will die CDU dem Vorschlag des grünen Regierungspartners nicht folgen, das aktive und auf kommunaler Ebene auch das passive Wahlrecht zu senken. Schon in ihrem Koalitionsvertrag konnten sich Grüne und CDU darüber nicht verständigen.

„Es ist Zeit, dass Jugendliche ab 16 Jahren in den Gemeinderat gewählt werden können, und es ist Zeit, dass Jugendliche ab 16 Jahren an den Landtagswahlen teilnehmen dürfen“, sagte Thomas Poreski (Grüne). Nicht zuletzt weil doch gerade erlebbar sei, „wie sich junge Menschen in ihre eigenen Angelegenheiten einmischen: ‚Wir sind laut, weil ihr uns die Zukunft klaut‘, heißt es regelmäßig bei den ‚Fridays for Future‘-Demonstrationen“.

SPD-Abgeordneter will Wahlrecht im Bund schon ab 16 Jahren

Für die SDP verlangte Andreas Kenner das nationale Wahlrecht ab 16. Das habe „auch ganz einfach damit zu tun, dass natürlich alle Entscheidungen, die wir hier fällen, über Generationen hinaus wirken“. Mit 16 Jahren sei man heute weiter als dies vor 50 Jahren. „Das beweisen gerade die Jugendliche an den beiden Tagen hier im Haus“, so der Kirchheimer Abgeordnete. Bei den Workshops sei es nicht allein ums Klima gegangen, sondern auch um Verkehr und viele andere Fragen: „Wie organisieren wir Pflege? Wie organisieren wir Bildung?“ Als "ganz tollen Beitrag" lobte er die Forderung nach kompetentem Personal, das mit den neuen Medien in den Schulen umgehen könne. "Denn wenn der Lehrer dann zwei Stunden lang ein WLAN-Kabel sucht, bis man ihm sagt: 'Es gibt gar kein WLAN-Kabel'“, so Kenner. 

Jochen Haußmann (FDP) lobte die Bandbreite des Engagements „in Politik, Kirche, Vereinen, Sport, Kultur oder Kunst“ und auch die politischen Jugendorganisationen. "Wenn ich unsere Jungen Liberalen sehe", sagte der Schorndorfer Abgeordnete, "dann muss ich nicht befürchten, dass nicht auch in Zukunft politische Themen in Baden-Württemberg und deutschlandweit auf der Tagesordnung stehen werden“. Und gerade das sei „überaus wichtig für Humanität und Toleranz und für die Demokratie, gerade in Zeiten, in denen in anderen Ländern Versuche unternommen werden, andere Strukturen statt demokratischer Prinzipien auf die Tagesordnung zu setzen“.

Anton Baron (AfD) berichtete von seinen Erfahrungen an den beiden Tagen: „Im Großen und Ganzen mussten wir als Politiker feststellen, dass die Jugend zum Teil sehr optimistische und teilweise auch sehr teure Ziele und Visionen verfolgt hat, die aber zum großen Teil von der Politik auch umgesetzt werden können.“ Seine Partei werde „oftmals hingestellt als eine Partei, die nur in den engen Grenzen der Nationalität bestehen will“. Gerade aber die Jugend wolle die Welt sehen, sich verbinden mit Menschen aus anderen Kulturen, neue Erfahrungshorizonte bilden. Das sei gut so, was aber auch passieren könne, sei, „dass die jungen Menschen dort realistisch werden, dass sie merken, welche Schätze sie hier in Deutschland haben, dass diese Schätze auch bewahrt werden müssen“.


Ihre Ansprechpartner

Sie haben Fragen oder Anregungen?
Hier finden Sie Ihren Ansprechpartner.

Kontakt

Titelbild Staatsanzeiger