Grüne und CDU in Sachen verbindliche Grundschulempfehlung nicht einig

04.03.2020 
Von: Henkel-Waidhofer, Brigitte Johanna
 
Redaktion
 

Stuttgart. Die FDP will den Übergang von der Grundschule neu regeln und Aufnahmeprüfungen wiedereinführen. Alle Kinder, die eine höhere Schule besuchen wollen als die wie früher verbindlich in Klasse vier empfohlene, müssten sich danach dieser Prüfung unterziehen. In der ersten Beratung des entsprechenden Gesetzentwurfs der Liberalen lehnte für die CDU Karl-Wilhelm Röhm diesen Weg als eindimensional ab.

Der frühere Rektor des Gymnasiums in Münsingen auf der Schwäbischen Alb machte aber auch klar, dass es „weiterhin Eltern gibt, die ihre Kinder bewusst fehlbeschulen“. Deshalb verlange seine Fraktion, ein „System an altersgerechten Lernstanderhebungen implementieren“.  Das heißt: In der vierten Klasse müssten landesweite Orientierungsarbeiten in Mathematik und Deutsch stattfinden und im Übrigen alle weiterführenden Schulen „ihr Profil schärfen“, um wieder zu einer klaren Abgrenzung der Schularten untereinander zu kommen.

Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) nannte es „das Normalste der Welt, dass Eltern das Beste für ihre Kinder wollen“. Jetzt gehe es darum, dem zu entsprechen und die Kinder bestmöglich zu beschulen. Da gebe es, wie sich gerade am Beispiel Stuttgart zeige, Handlungsbedarf, „weil seit 2012 zu viele Kinder in Schularten sind, in denen sie überfordert sind“. Der Wechsel weg von einem Gymnasium oder einer Realschule sei nie motivierend, ein positiver Entwicklungsprozess hingegen, wenn Kinder ein durchlässiges System zu einem möglichst hohen Abschluss kommen.

Eisenmann sieht Eltern mit Entscheidung überfordert

„Ohne Eltern einen Vorwurf machen zu wollen, stellen wir fest, dass es eine Überforderung in der Einschätzung gibt“, so die Ministerin weiter. Eltern seien sich gar nicht bewusst, dass die Beschulung in Klasse fünf nicht darüber entscheide, ob der Weg zum Abitur möglich ist. Auch deshalb ergebe sich aus der Realität des Schulwahlverhaltens der Bedarf, politisch zu handeln.

Sie könne zwar den Gesetzentwurf der FDP nachvollziehen, sagte die Spitzenkandidatin der CDU für die Landtagswahl im Frühjahr 2021. Dennoch sei er nicht der richtige Weg, denn er wolle das Rad zurückdrehen: „Grundschulempfehlung plus Aufnahmeprüfung reicht mir nicht.“ Darin spiegele sich „die Heterogenität der Bedarfe nicht wieder“. Eisenmann kündigte ein „differenziertes Konzept zu mehr Verbindlichkeit“, benotete Erhebungen des Leistungsstands sowie eine durchgängige Beratung der Eltern von Klasse eins bis vier an.

„Das ist ein weiteres Beispiel dafür", konterte Timm Kern (FDP), „dass sich die CDU gegen die Grünen nicht durchsetzen kann.“ Der bildungspolitische Sprecher seiner Fraktion warf den Blick zurück, weil eine der ersten größeren Amtshandlungen der damaligen grün-roten Landesregierung die Abschaffung der verbindlichen Grundschulempfehlung gewesen sei: „In der Folge schnellten die Sitzenbleiberquoten in der Klasse fünf der Realschule von 0,7 Prozent im Jahr 2012 auf 3,3 Prozent im Jahr 2013 und an den Gymnasien von 0,5 Prozent im Jahr 2012 auf 1,2 Prozent im Jahr 2013 auf 1,5 Prozent im Jahr 2015 hoch."

Grüne und SPD verteidigen Abschaffung der Grundschulempfehlung

Sandra Boser (Grüne) hielt ihrem FDP-Kollegen jedoch vor, dass es keine einzige Studie gebe, aus der sich eine weitere Entwicklung in der Schullaufbahn ableiten könne. Vielmehr habe sogar das damals von Annette Schavan (CDU) geführte Bundesbildungsministerium in einer Untersuchung belegt, dass die soziale Herkunft von viel größerer Bedeutung sei. „Ihre Behauptungen zur Grundschulempfehlung sind ohne jeden Nachweis“, so Boser, „und belegen ein Schulbladendenken von gestern.“  

Auch die SPD hält am Kurs der früheren grün-roten Landesregierung fest. „Wir haben die verbindliche Grundschulempfehlung abgeschafft, und das war ein richtiger Schritt“, so Daniel Born. Der Übertritt von der Grundschule in die weiterführende Schule sei ein zentrales Moment in der Bildungsbiografie der Kinder. Das beschäftigt die Eltern und die Politik zu Recht. Jetzt gehe es wieder um das „Grundkonzept der Selektion“, das weder FDP noch CDU ablegen könnten. Die Konsequenz: „Baden-Württemberg bekommt in Vergleichsstudien seit Jahren einen überdurchschnittlichen Zusammenhang zwischen Herkunft und Bildungserfolg attestiert.“

Rainer Balzer (AfD) verlangt dagegen nach mehr „Leistungsorientierung im Unterricht“. Seine Fraktion wolle der Überforderung von Schülern entgegenarbeiten, gerade der Wegfall der Grundschulempfehlung führe aber dorthin. Außerdem müsse die Gemeinschaftsschule an Haupt und Gliedern reformiert oder "am besten als Konzept der Gleichmacherei“ abgeschafft werden. Es gebe sie ohnehin überhaupt nur, „weil sie am Tropf der grünen Landesregierung hängen“.


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