Landtag beschließt gemeinsame Resolution gegen Antisemitismus

09.06.2021 
Redaktion
 
Foto: dpa/ Bernd Weißbrod

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STUTTGART. Mit einer gemeinsamen Resolution haben Grüne, CDU, SPD und FDP „ein Zeichen gegen Judenhass und Ausgrenzung“ gesetzt. Der Antrag „Sicheres jüdisches Leben in Baden-Württemberg – gemeinsam und geschlossen gegen Antisemitismus“, dem die AfD ebenfalls zustimmte, sieht auch konkrete Maßnahmen vor, darunter den Schutz jüdischer Einrichtungen „mit höchster Priorität“ zu behandeln und die Maßnahmen im Kampf gegen Antisemitismus zu intensivieren.

Anlass der aktuell eingeschobenen Debatte war der Anschlag auf die Ulmer Synagoge vom vergangenen Samstag, eine Tat, die, wie CDU-Fraktionschef Manuel Hagel erklärte, „vor Verachtung strotzt“. Denn der Täter habe sagen wollen: „Ihr könnt mir nichts." Jetzt liege es an allen zu zeigen, dass er sich irre. Es gelte Null Toleranz, nicht wegzuschauen, den Täter zu finden und hart zu bestrafen.

 "Besondere Verantworung für das jüdische Leben"

Hagel, der aus dem Wahlkreis Ehingen kommt, erinnerte daran, dass die Ulmer Synagoge „ziemlich genau am gleichen Ort wie die alte Synagoge steht, die vor über 80 Jahren unter dem Jubel der Öffentlichkeit, unter dem Gehetze von gewählten Politikerinnen und Politikern und unter dem Wegschauen von Polizei und Rechtsstaat abgebrannt wurde“. Heute dagegen schauen die Menschen hin, „heute kommt die Polizei und schützt Jüdinnen und Juden, heute löscht die Feuerwehr, und vor allem gibt es heute Politikerinnen und Politiker wie in diesem Hohen Haus, die sich eindeutig gegen dieses Gehetze, sei es noch so klein, stellen“. 

Auch Grünen-Fraktionschef Andreas Schwarz spannt den Bogen in die Geschichte. Als 1938 in Baden, in Württemberg und in Hohenzollern die Synagogen brannten und Jüdinnen und Juden systematisch vertrieben und ermordet wurden, hätten viele unserer Vorfahren dabei zugeschaut und mitgemacht. Vor allem daraus erwachse „unsere besondere Verantwortung für das jüdische Leben in Baden-Württemberg“. Dass es „wieder blühende jüdische Gemeinden gibt, ist ein Geschenk und ein Auftrag für uns alle“.

"Wer nicht gegen Antisemitismus auftritt, macht sich mitschuldig"

Für SPD-Fraktionschef Andreas Stoch verbiete sich, „diese Tat wieder nur als Einzeltat zu verstehen“. Es gehe hier um das jüngste Aufflackern von Antisemitismus: „Wenn wir auf die letzten Jahre zurückblicken, müssen wir feststellen, dass bei vielen der terroristischen Akte neben teilweise anderen, rassistischen, fremdenfeindlichen Motiven oft auch Antisemitismus eines der Motive der Täter war“. Und Stoch mahnte, dass keine Kritik an der israelischen Regierung ein Vorgehen gegen jüdische Menschen in diesem Land rechtfertige, „und dabei ist es völlig ohne Belang, ob die Motive aus angestammten radikalen Milieus kommen oder eingewandert sind“. Es müsse mehr getan werden für die Sicherheit, sowohl in der Bildung als auch wenn es darum gehe, sich einzumischen. Wer nicht gegen Antisemitismus auftrete, mache sich mitschuldig, im realen Leben und in den sozialen Medien: „Kein Millimeter für die Brandstifter, egal ob mit Worten oder Benzinkanistern.“

FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke erinnerte an die „ganz besondere historische Verantwortung, denn aus einer großen Reihe von Verbrechen, die diese Menschheitsgeschichte erlebt hat, ragt die Shoah in ganz besonderer Weise heraus“. Und weiter: „Weil unsere Vorfahren in irgendeiner Art und Weise an dieser Shoah beteiligt gewesen sind, tragen wir bis zum heutigen Tag eine besondere Verantwortung“.

Rülke wirft AfD Scheinheiligkeit vor

Diese Verantwortung beginne nicht erst, wenn Menschen in Konzentrationslager wanderten, sie beginne nicht erst, wenn das Brennen von Synagogen staatlich organisiert sei, sondern das beginne früher. „Das beginnt schon dann“, erklärte Rülke, „wenn im Denken aus dem Antisemitismus der Versuch zur Tat wird wie vor wenigen Tagen in Ulm.“ Der FDP-Fraktionschef befasst sich auch mit der AfD und warum, die nicht in die Formulierung des Antrag eingebunden war: „Sie haben einen Fraktionsvorsitzenden im Deutschen Bundestag, der lange Zeit auch Ihr Parteivorsitzender war – wahrscheinlich der bekannteste und einflussreichste Vertreter Ihrer Partei –, der erklärt, der Nationalsozialismus sei ja nur ein Fliegenschiss in unserer Geschichte.“ Niemand im Landtag sagt, dass die AfD nicht auf Dauer die Chance habe, sich irgendwann in diejenigen politischen Kräfte einzureihen, die wirksam und glaubwürdig gegen den Antisemitismus vorgehen, „aber es geht nicht, auf der einen Seite mit den Gaulands dieser Welt den rechten Narrensaum abzugrasen und sich auf der anderen Seite hier scheinheilig hinzustellen und zu erklären, sie seien die wahren Kämpfer gegen den Antisemitismus“.

Bernd Gögel bezeichnete seine AfD-Fraktion als „bewusst ausgeklammert“. Gerade die CDU habe zugelassen, dass die Linksparteien sich durchsetzten, ihre eigene Klientel hier schützten und verschiedene Dinge nicht erwähnten. „Denn es war doch tatsächlich die verfehlte Migrationspolitik der letzten sechs Jahre, die zu den Verhältnissen auf den Straßen in Deutschland geführt hat“. So Gögel, „den Antisemitismus haben Sie in großer Art und Weise in dieses Land importiert, und Sie werden dem nicht mehr Herr.“

Drei Millionen Euro für weitere Sicherheitsmaßnahmen

Auch Innenminister Thomas Strobl stellte sich frontal gegen die AfD, mit der es keine Basis für eine Zusammenarbeit gebe. Strobl zitierte den Vorsitzenden des Zentralrats der Juden: „Wenn führende Politiker dieser Partei eine ‚Wende in der Erinnerungspolitik um 180 Grad‘ fordern, das Holocaust-Mahnmal als ‚Mahnmal der Schande‘ beschimpfen und die NS-Zeit als ‚Vogelschiss‘ bezeichnen, gibt es keine Basis dafür. Die AfD gebärdet sich nur zerstörerisch und gegen diese Demokratie gerichtet.“ Und wenn der Zentralrat keine Basis sehe, dann hätten die demokratischen Fraktionen in diesem Haus auch ihre Gründe hierfür.

Konkret verwies der Innenminister darauf, dass drei Millionen Euro für weitere Sicherheitsmaßnamen zur Verfügung gestellt sind, Fachtage zur Bekämpfung von Antisemitismus durchgeführt werden und ,bundesweit einmalig, in Baden-Württemberg zwei Polizei-Rabbiner benannt sind. „Wir kümmern uns nicht nur, wenn etwas passiert“, so Strobl, "sondern wir verfolgen eine lange Linie.“ Es sei aber auch wichtig, „wenn etwas passiert, sich zu äußern wie der Landtag an diesem Vormittag“.


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