STUTTGART. In einer von der FDP-Fraktion beantragten Debatte zum Stellenwert des Verbrennungsmotors bei klimaneutralen Antrieben hat sich die Mehrheit der Abgeordneten zur Notwendigkeit des Strukturwandels in der Automobilindustrie bekannt.
Die Liberalen kritisierten die Verteufelung des Verbrennungsmotors durch die Grünen als schädlich für die Branche. Grüne und CDU bekannten sich zu einer technologieoffenen Transformation, mit unterschiedlichen Akzenten.
Unter dem Motto „vom Saulus zum Paulus – Ministerpräsident Kretschmanns Entdeckung des Verbrennungsmotors“ bezog sich FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke auf ein Interview von Ministerpräsident Winfried Kretschmann und breitete anhand von Zitaten vor den Abgeordneten genüsslich aus, dass der gründe Regierungschef einen „biblischen Lernprozess“ durchlaufen habe und den Verbrennungsmotor als essentiell für die Automobilindustrie und ihre Zulieferer sowie als Wohlstandsfaktor sehe.
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Es sei jedoch fraglich, ob die Einsicht des Ministerpräsidenten „auch die Fußtruppen seiner Partei“ erreicht habe, meinte Rülke. „Es nützt nichts, sich auf eine Technologie zu verengen“, die zwei Prozent des Markts ausmacht“, kritisierte er. Die einseitige ideologische Ausrichtung darauf verhindere eine Technologieoffenheit. Mit Wasserstoff und synthetischen Kraftstoffen ist für Rülke ein umweltfreundlicher Verbrenner möglich.
Gegen den Vorwurf ideologischer Einseitigkeit verwahrte sich Andrea Lindlohr von den Grünen. Der FDP warf sie vor, „aus dem Verbrennungsmotor eine Glaubens- und Bekenntnisfrage zu machen“. Sie erläuterte, dass der Anteil der batterieelektrischen Fahrzeuge bei Neuzulassungen in Deutschland inzwischen auf acht Prozent gestiegen sei. Außerdem wolle Daimler der führende Elektroanbieter werden und Porsche investiere Milliarden in die neue Technologie.
„Wir gestalten den Strukturwandel technologieoffen und partnerschaftlich mit Unternehmen, Beschäftigten sowie neuen Ideen der Wissenschaft“. Dazu zählt sie auch die Wasserstofftechnologie. Der FDP warf sie vor, einseitig verfügbare Technologien zu verteufeln.
Winfried Mack (CDU) appellierte an die Abgeordneten. „Wir müssen den Niedergang der Leitindustrie in Baden-Württemberg verhindern“. Als zentral dafür betrachtet er synthetische Kraftstoffe. „Wir haben das Knowhow dafür“. Bei den so genannten E-Fuels sei eine Markteinführung schneller und einfacher möglich als bei E-Autos.
Entschieden kritisierte er das Bundesumweltministerium als „Bremser“, da es den Direktverkauf an Tankstellen untersage. Auf Nachfrage der FDP erläuterte Mack, dass es innerhalb der Bundesregierung einen Diskussionsprozess gebe, um diese Blockadehaltung aufzulösen. Der CDU-Abgeordnete warnt davor, „den Verbrennungsmotor kaputtzumachen“. Deshalb will er nicht vom Ende dieser Technologie, sondern vom Ende der fossilen Kraftstoffe reden.
SPD-Fraktionschef Andreas Stoch sieht zu viele ideologische Gegensätze. „Eine ideologisch aufgeladene Debatte“ werde dem Strukturwandel nicht gerecht, sagt er. Immerhin würden 470.000 Arbeitsplätze im Land direkt oder indirekt am Auto hängen. Und diese gelte es zu sichern
Er lobte, dass es über die Notwendigkeit einer Dekarbonisierung bei der Mehrheit im Landtag keinen Dissens gebe. Er sieht in der Elektromobilität eine Übergangstechnologie. Mit reinen E-Modellen wird seiner Ansicht nach nicht genug Geld verdient. Die Regierung forderte Stoch auf, in der Batteriezellenforschung ein Zeichen zu setzen. „Unsere Autowirtschaft muss die Kurve kriegen“, sagte er.
Auch der SPD-Fraktionschef plädierte für einen technologieoffenen Strukturwandel. Das Kriterium für ihn ist: „Wie kann effektivste Mobilität mit geringstem Ressourceneinsatz gewährleistet werden“.
Anton Baron (AfD) begrüßte den Vorstoß der FDP. Er bezeichnete den Verbrennungsmotor „als Herz unserer Industrie mit goldener Zukunft. Baron Er kritisierte die ideologiegetriebene Industriepolitik der Landesregierung, die mit massiven Subventionen eine nicht konkurrenzfähige Technologie durchsetze.
Die Haltung der AfD kritisierte Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) genauso wie das „kleinliche Zitatenspiel“ Rülkes. Als große Zukunftsfrage sieht der den Transformationsprozess der Industrie. Dieser bringe in der Produktion einen Abbau von Arbeitsplätzen mit sich. Potenzial sieht der Minister in der Mobilität als Service.
Zwar sieht er im Gegensatz zur CDU batterieelektrische Fahrzeuge als beste Lösung im Pkw-Bereich, spricht sich aber ebenso für den Einsatz intelligenter Hybridfahrzeuge und synthetischer Kraftstoffe aus. Auch Hermann bekannte sich zur Technologieoffenheit und bezeichnete die restriktive Haltung des Bundesumweltministeriums bei synthetischen Kraftstoffen als Fehler.